„LOSLASSEN MUSSTE ICH ERST LERNEN“
Andrea Hickel ist promovierte Chemikerin und Leiterin der Chemie Akademie in Graz. Warum sie trotzdem glücklich ist, dass ihr 16-jähriger Sohn sich gegen ein Studium entschieden hat, erzählt sie im Interview.
Als Akademiker-Kind scheint der Ausbildungsweg oftmals vorgezeichnet: Matura und Studium, so gehört sich das. Doch nicht in jedem Fall ist das der beste Weg. „Es gibt einfach Kinder, die nicht ins System passen“, meint Andrea Hickel. Die promovierte Chemikerin hat beides zu Hause: Tochter Fiona hat maturiert, arbeitet derzeit in der Gastrobranche und will im kommenden Jahr nach Wien gehen, um Veterinärmedizin zu studieren.
Ihr 16-jähriger Bruder David dagegen hatte eine eher holprige Schullaufbahn. „Das war weniger seine Schuld“, meint Hickel. Die Scheidung der Eltern, zwei Schulwechsel und gesundheitliche Probleme – es kam einfach zu viel zusammen. „Und er hinterfragt auch viel – das ist nicht bei allen Lehrern gut angekommen“, schmunzelt Hickel.
Ein neuer Weg in der IT
Die Entscheidung, die Schule zu verlassen und sich lieber auf eine praxisnahe Ausbildung zu fokussieren, lag bald auf der Hand. Schon vor Jahren hat sich David selbst das Programmieren beigebracht, derzeit lernt er gerade Japanisch. Nun sucht er eine Lehrstelle im IT-Bereich, am besten bei einer großen Firma, wo er im Rahmen der IT Lehre auch Auslandserfahrungen sammeln darf. „Natürlich habe ich darüber nachgedacht, ob er vielleicht doch lieber eine HTL machen sollte. Ich muss zugeben, ich war oft eine Gluckenmutter, das Loslassen musste ich erst lernen. Und natürlich gab es auch genügend Streitereien, immerhin ist David ja auch mitten in der Pubertät. Aber ich habe begriffen, dass es wichtiger ist, dass er ein Ziel hat und für sich einen Weg findet, der ihn erfüllt und glücklich macht“, erzählt die Leiterin der Chemie Akademie.
Den eigenen Weg finden
„Es ist nicht mein Weg, es ist seiner – das übersieht man als Mutter oder Vater oft, einfach, weil man das Beste für sein Kind will.“ Wobei es natürlich hilft, wenn man – so wie Hickel – selbst seinen Weg gefunden hat. „Ich habe alles erreicht, was ich wollte – ich muss mich nicht mehr über meine Kinder verwirklichen.“
Welchen Rat würde sie anderen Müttern in dieser Entscheidungsphase geben? „Ich denke, das Wichtigste ist, dass man immer versucht, die Beziehung zum Kind aufrechtzuhalten. Schule und Bildung sind wichtig, aber der gemeinsame Spaß und das Verständnis füreinander darf nie zu kurz kommen – so behält man immer den Draht zum Kind.“
Den Potenzialen folgen
„Ich habe ein wirklich gutes Gefühl, David wird seinen Weg machen. Mir ist wichtig, dass meine Kinder ihre Potenziale ausschöpfen und ihrem Leben einen Sinn geben – das heißt eben für jeden Menschen etwas Anderes. Mehr als das kann ich mir für sie nicht wünschen.“
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