Kategorie: Allgemein

  • MUTTER IM TALK

    MUTTER IM TALK

    Philipp hat sich nach der Schule für eine Lehre entschieden – und Mama Monika Haider-Raunigg unterstützt ihn dabei.

    DIE SCHULE UND PHILIPP RAUNIGG waren noch nie gute Freunde. „Schon nach der 2. Klasse Volksschule hat er verkündet, dass es das jetzt für ihn war – er meinte, er braucht da nicht mehr hingehen“, erzählt seine Mama Monika Haider- Raunigg. Immerhin könne er jetzt lesen, schreiben und rechnen und das würde wohl reichen, befand der junge Mann. Damals konnten ihn die Eltern dann doch noch zum Weitermachen überreden – aber nach der 4. Klasse im Bundesrealgymnasium Petersgasse war der Ofen dann endgültig aus. „Das war alles nur mehr ein Krampf – Dinge auswendig zu lernen, die mich nicht interessiert haben und wo ich das Gefühl hatte, dass ich sie nie mehr brauchen werde, das hat für mich einfach keinen Sinn mehr ergeben“, erzählt der 17-Jährige. Der Endgegner: Mathematik. Doch ausgerechnet die Mathematik-Lehrerin hatte die zündende Idee, in eine praxisorientiertere Schule zu wechseln.

    „Nicht auf die Freunde, sondern immer auf das eigene Gefühl hören.“

    Philipp Raunigg

    Von der Fachschule zum Lehrberuf

    Darum hat Philipp in den letzten drei Jahren die landwirtschaftliche Fachschule Grottenhof besucht und mittlerweile die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter in der Tasche. „Dort hat es mir sehr gut gefallen, das hat genau zu mir gepasst“, meint er. „Der Unterricht dort war sehr praxisorientiert, das liegt ihm einfach mehr“, findet die Mama. Während der Schule hatte er zuerst als Medienfachmann, dann in einer Tischlerei und zuletzt in einer Werkstatt geschnuppert. „Beim ersten Schnuppern habe ich Kopfweh bekommen, weil ich so lange vor dem Computer gesessen bin.“ In dem Großbetrieb der Tischlerei, wo vieles maschinell gefertigt wurde, hat er sich auch nicht wirklich wohl gefühlt. „Aber in der Werkstatt war ich gleich wie zu Hause – ich schraube ja in meiner Freizeit auch am liebsten an meinem Moped herum, den Betrieb hat mir ein Freund empfohlen, weil dort ein sehr gutes Arbeitsklima herrscht“, erzählt der junge Mann. Wenn alles gut geht, startet er dort in Kürze die Lehre zum Zweiradtechniker, bis dahin überbrückt er die Zeit mit einem Job im Handel. Was im Nachhinein so einfach klingt, war ein ziemlich langer und steiniger Weg – vor allem für Mama Monika. Sie selbst hat ein abgeschlossenes Studium und unterrichtet an der Medien-HAK in Graz. „Natürlich habe ich mir für ihn auch gewünscht, dass er die Matura macht – einfach, damit er eine solide Grundausbildung bekommt und ihm dann alle Möglichkeiten offenstehen. Und die Studienzeit habe ich sehr genossen, das hätte ich ihm auch gegönnt“, bekennt sie. Aber es hat viel Kraft und Energie gekostet, ihn immer wieder zum Lernen zu motivieren. „Ich habe irgendwann begriffen, dass das nicht sein Weg ist. Letztendlich muss man froh für sein Kind sein, wenn es etwas findet, wofür es brennt.“

    „Loslassen, vor allem die eigene Vorstellung vom idealen Ausbildungsweg – aber trotzdem mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

    Monika Haider-Raunigg

    Loslassen, aber weiter da sein

    Aber selbst wenn klar ist, dass eine Lehre begonnen werden soll, brauchen die Jugendlichen weiter Unterstützung, weiß Haider-Raunigg: „Die Recherche nach der optimalen Lehrstelle, das Verfassen von Bewerbungen, da ist man als Elternteil nochmals sehr gefragt.“ Auch einen Test zur Berufsorientierung an der Wirtschaftskammer hat Philipp absolviert, um auszuloten, welche Lehrberufe es gibt und um sicherzustellen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Ihr Tipp für andere Mütter: Loslassen, vor allem die eigene Vorstellung vom idealen Ausbildungsweg – aber trotzdem mit Rat und Tat zur Seite stehen. Genau wie sie unterstützt ihr Mann seinen Sohn auf seinem Weg.

    Auch Philipps Freunde finden seine Entscheidung gut. „Die Hälfte davon macht ja auch eine Lehre, der Rest sind meine ehemaligen Klassenkollegen, die heuer maturieren werden.“ Dass die Lehre nicht immer ein Zuckerschlecken sein wird, ist ihm klar: „Aber ich denke doch, dass die interessanten Aspekte überwiegen werden und ich dann einen Beruf habe, der wirklich zu mir passt. Ich freue mich jedenfalls schon darauf, viel Neues zu lernen und mit den Händen arbeiten zu dürfen.“ Sein Rat an andere Jugendliche, die sich gerade am Scheideweg zwischen Schule und Ausbildung befinden: „Nicht auf die Freunde, sondern immer auf das eigene Gefühl hören – auch wenn alle anderen die Matura machen, muss das nicht dein Weg sein.“

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    MUTTER IM TALK

    MOTOREN STATT MATURA


    Schule war nicht seins, die Lehre als KFZ-Mechaniker dafür umso mehr: Warum Elke Harg heute froh darüber ist, dass ihr Sohn Daniel kurz vor der Matura das Handtuch geworfen hat.

    Wenn Elke Harg heute auf ihren 26-jährigen Sohn Daniel blickt, dann tut sie das mit einer ordentlichen Portion Stolz: „Ich weiß, er wird seinen Weg gehen und sein Leben gut meistern – das hat er bewiesen.“ Das war allerdings nicht immer so: Nach gut 12 Jahren Schulkarriere, in der Maturaklasse der HAK, lagen die Nerven blank. „Wir haben gemeinsam gelernt, doch das war sehr anstrengend. Bis ich eines Tages zu ihm gesagt habe: Weißt du, für mich musst du die Schule nicht fertig machen.“ Das hat dann wohl einen Schalter umgelegt, denn Daniel hatte ohnehin schon lange das Gefühl, am falschen Ort zu sein. „Schule hat mich immer weniger interessiert, Autos dafür umso mehr“, schmunzelt er.

    Plötzlich war da eine Energie, die Elke von ihrem Sohn so nicht kannte: „Es hat keine vier Monate gedauert, und er hatte eine Lehrstelle gefunden.“ Und auf einmal war alles leicht: „Ich hatte und habe jeden Tag Spaß an meiner Arbeit – und ich nehme jeden Tag was mit, auch, wenn einmal nicht alles glatt läuft. Ich habe vorher nie handwerklich gearbeitet, und mit 20 eine Lehre anzufangen, war auch nicht ganz leicht.“ Doch die Freude an der Arbeit zeigte sich letztendlich auch in Daniels Leistung: Mittlerweile hat er die Meisterprüfung absolviert, mündlich sogar mit Auszeichnung; und das, obwohl die Vorbereitungszeit mit seinem Zivildienst im Kindergarten Thal zusammenfiel. „Es war wirklich verblüffend zu sehen, wie leicht alles wird, wenn man etwas mit Begeisterung macht“, meint Mama Elke.

    Freude am Job
    Darum war es für sie auch nicht schwer, ihre Vorstellung von Daniels Berufsweg zu überdenken. „Natürlich hatte ich etwas im Kopf, wollte, dass er eine möglichst gute Ausbildung bekommt. Aber für mich war trotzdem immer klar, dass das nicht unbedingt in der Schule passieren muss.“ Wichtig sei vor allem, sich anzusehen, wie es dem Kind mit dem jeweiligen Weg geht. „Denn eines muss einem klar sein: Man kann sein Kind nicht durch eine Ausbildung durchtragen.“

    Auch Daniel hat einen Rat für junge Menschen, die in einer ähnlichen Lage sind, wie er es vor sechs Jahren war: „Sucht euch etwas, was ihr gern macht, was euch wirklich interessiert – dann geht es auch leicht.“ Er habe etwas gefunden, was auch an schlechten Tagen Freude macht: „Ich sorge dafür, dass die Menschen mit ihrem Fahrzeug sicher dorthin kommen, wo sie hinwollen – damit weiß ich, dass ich jeden Tag etwas Sinnvolles mache.“ „Es ist verblüffend, wie leicht alles wird, wenn man mit Begeisterung dabei ist.“

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    MUTTER IM TALK

    Stärken kennen und sich daran orientieren

    Drei erwachsene Söhne hat Andrea Ohersthaller; zwei davon haben
    sich nach der Matura nicht für ein Studium entschieden – und sind damit glücklich.

    ANDREA OHERSTHALLER,Vizebürgermeisterin in Hart bei Graz, hat alle Möglichkeiten der Jobfindung mit ihren drei Söhnen erlebt. „Aber was immer das Wichtigste für mich war: Alle drei haben etwas gefunden, was sie erfüllt.“ Am schwersten hat sich dabei Felix, der Älteste, getan. „Er hat einfach Zeit gebraucht, um sich zu orientieren“, so Ohersthaller. Doch mittlerweile hat auch der 26-Jährige seinen Traumjob gefunden – und zwar über eine Lehre. Dabei sollte es eigentlich ein Medizinstudium sein, doch der schwierige Aufnahmetest macht ihm – wie so vielen anderen – einen Strich durch die Rechnung. Nach abgebrochenem Jus- und Germanistikstudium setzte man sich gemeinsam an einen Tisch und überlegte, wo die Stärken von Felix lägen – und kam bald auf die Landschaftsgärtnerei. Vor einem Jahr hat er diese (verkürzte) Lehre erfolgreich abgeschlossen, arbeitet jetzt in einem Betrieb in Gössendorf, der seine Stärken erkannte und ihn dementsprechend einsetzt.

    Auch der Jüngste, Lorenz (22), hat nach der Matura zuerst eine Lehre begonnen; Tischler wollte er werden. Doch der Betrieb und der junge Mann passten einfach nicht zusammen. Nun ist Lorenz in einer Hausverwaltung tätig und absolviert gerade die Ausbildung zum Hausverwalter und Immobilienmakler; eine durchaus vielverspre- chende Karriere winkt in diesem Bereich.

    Einzig der Mittlere der drei, Viktor (24), ist nach der Matura den „klassischen“ Weg gegangen. Er studiert an der Universität für Bodenkultur in Wien Landschaftsarchitektur. „Die drei ergänzen sich in ihren Berufen sehr gut und tauschen sich auch häufig aus“, erzählt die stolze Mutter. Wichtig war ihr, dass sie früh genug ihre Stärken kennen. „Das ist am GIBS, wo alle drei maturiert haben, immer im Vordergrund gestanden. Mein Mann und ich hatten eigentlich keine Vorstellung, was die Kinder einmal werden würden – uns war nur wichtig, dass sie ihre Arbeit mögen.“ Ein Rat, den sie auch anderen Müttern geben würde: „Wir hätten die Kinder niemals durch das Gymnasium geschleift, ich habe auch nie mit ihnen gelernt. Es ist wichtig, dass die Erfolge, aber auch die Misserfolge ihre eigenen sind; und ganz schlecht ist für das Selbstbewusstsein der Jugendlichen, wenn die Eltern sie durchboxen – so gelingt kein guter Start ins Berufsleben.“ Am Ende zählt die Persönlichkeit eines Menschen, auch wenn es darum geht, sich beruflich zu etablieren. Sich auszuprobieren, zum Beispiel in Ferialjobs und beim Schnuppern, sei ebenfalls ein essenzieller Baustein auf der Suche nach der richtigen Ausbil- dung. Und: „Wir müssen von dem Prestigedenken weg, dass jeder Jugendliche studieren muss – die Wirtschaft zeigt uns, wie gefragt Fachkräfte sind. Und wer für sich die richtige Wahl getroffen hat, dem winkt mit einer Lehre oft ein glücklicheres und erfüllteres Leben. Mit eigenen Händen produktiv sein zu können und etwas zu schaffen, was man sofort betrachten kann, ist ein in Vergessen- heit geratenes, unschätzbares Gut!“

    Es ist wichtig, dass die Erfolge, aber auch die Misserfolge ihre eigenen sind.

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    MUTTER IM TALK

    Mehr als nur eine Lehre

    WK-Steiermark-Vizepräsidentin Gabi Lechner träumte von Matura und Studium ihrer Kinder Antonia und Benedikt – und ist heute umso glücklicher, dass sich beide für eine Lehre entschieden haben.

    Dass eine Lehre alles andere als eine Einbahnstraße ist, beweisen die beiden Kinder von Marketingprofi Gabi Lechner. Denn während Benedikt, gelernter Mediendesigner, mittlerweile Informationsdesign an der FH studiert, bereitet sich Tochter Antonia nach ihrer bravourös ge- meisterten Lehre zur Elektroanlagentechnikerin gerade als Quereinsteigerin auf die Ausbildung zur Tätowiererin vor. Und die WKO-Vizepräsidentin, die selbst ganz klassisch Geschichte und Germanistik studiert hat, könnte stolzer nicht sein.

    Aber das war nicht immer so. „Ich hab‘ mich ganz oft gefragt, was ich falsch gemacht habe“, bekennt sie. Denn auch sie hat von Matura und anschließendem Studium für ihre Sprösslinge geträumt. „Dass meine Tochter, die immer meine Prinzessin war, keinen Maturaball hatte, das tut heute noch weh“, bekennt sie. Ein kleiner Wermutstropfen, der aber kaum mehr ins Gewicht fällt, denn „ich sehe, wie gut es den beiden mit ihrem Lebensweg geht.“

    Falsche Schule, richtige Lehre

    Besonders bei Antonia sei das Happy-End nicht immer vorgezeichnet gewesen, bekennt Lechner.

    „Sie ist ein sehr sensibler Mensch, hatte oft falsche Freunde und ist in der Schule immer wieder von Lehrern missverstanden worden.“ Nachdem sie die dritte Klasse des Gymnasiums wiederholen musste, wollte sie erst Kindergärtnerin werden und schaffte auch die Aufnahmeprüfung ins BAKIP (heute: BAfEP). Doch beim ersten Eltern- sprechtag kam der große Schock: „Außer dem Gitarre-Lehrer hat sie dort niemand gekannt, weil sie einfach nicht hingegangen ist.“ Zuhause dann das Geständnis, dass das die falsche Schulwahl war und sie nicht mehr in die Schule gehen wolle. „Also haben wir sie abgemeldet und ihr 14 Tage Zeit gegeben, sich Lehrberufe herauszusu- chen, die sie interessieren“, so die Agenturchefin. Nach diversen Schnupperwochen – „das ist sehr wichtig!“ – entschied sich die junge Frau für eine Lehre als Elektroanlagentechnikerin bei SSI Schäfer – und schaffte auch auf Anhieb die Lehrabschlussprüfung. Mittlerweile interessiert sich die 24-Jährige aber für die Ausbildung zur Tätowiererin. „Darauf bereitet sie sich gerade akribisch vor – aber das Gute ist: Ich weiß, auch wenn das nichts werden sollte, als Elektrotechni- kerin findet sie jederzeit wieder einen Job“, erklärt die stolze Mutter.

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    MUTTER IM TALK

    WENN IN DER SCHULE EINFACH NICHTS MEHR GEHT
    Maximilian ist 15 – und hat eine sehr klare Vorstellung von seiner beruflichen Zukunft. Wie es Mama Michaela Mayr mit ihrem selbstbewussten Sohn zwischen Corona-Schulfrust und der Entscheidung für eine Lehre ergangen ist, hat sie uns im Interview verraten.

    Die Pandemie hat auf unser aller Leben Auswirkungen – auf manche mehr, auf manche weniger. Und sie hat ein Brennglas darauf gerichtet, was uns wirklich wichtig ist. Im Fall von Maximilian war das jedenfalls nicht die Schule. „Er war schon davor kein begeisterter Schüler, musste die dritte Klasse Gymnasium wiederholen. Dann kam auch noch das Homeschooling, da hab‘ ich gemerkt, jetzt ist endgültig die Luft draußen.“ Maximilian konnte immer weniger Sinn in den Online-Aufgaben sehen – und er wollte sich Dinge selbst erarbeiten. Wenn ihn seine Mutter bei der Schularbeiten-Vorbereitung unterstützte und er daraufhin eine bessere Note schrieb, stellte sich die erhoffte Freude nicht ein. „Das war für ihn dann einfach nichts wert“, erklärt Michaela Mayr. Erst nach und nach wurde ihr klar, dass ihr Sohn die Mitarbeit im Gymnasium fast vollkommen eingestellt hatte. „Das war eine schwierige Zeit“, gibt Mayr zu.

    Mit den Händen arbeiten
    Doch dafür war eine andere Begeisterung in Maximilian erwacht: Mit Freunden hatte er angefangen, an Mopeds herumzuschrauben. „Er hat zu mir gesagt, er will mit den Händen arbeiten – das war für mich der Schlüsselsatz, plötzlich hat es Klick gemacht.“ Nach dem Wechsel vom Gymnasium in die Neue Mittelschule ließ der Druck nach, die berufspraktischen Tage beim ÖAMTC waren dann der letzte Puzzlestein, um das Bild von der beruflichen Zukunft vollständig zu machen. Kürzlich hat er seine Bewerbung für eine Lehrstelle an den ÖAMTC abgeschickt. „Dass wir jetzt wissen, wohin die Reise geht, war eine echte Erleichterung“, erklärt die Mutter. „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es in der Schule besser klappt – ich habe ja sein Potenzial gesehen. Und es war schwierig, die Balance zu finden, wie sehr ich mich einmische und wie viel ich ihm selbst zutraue. Aber er ist sehr selbstständig und selbstbewusst und weiß instinktiv, was gut für ihn ist.“

    Lehre mit Matura
    Für Maximilian ist übrigens jetzt schon klar, dass er eine Lehre mit Matura absolvieren will. „Er hat gleich gesagt, wer weiß, ob mir der Lehrabschluss allein dann reicht und ob ich das mein Leben lang machen will. Ich mache mir wirklich keine Sorgen um meinen Sohn, ich bin sicher, der geht seinen Weg“, meint Mayr.

    Michaela Mayr ist froh, dass ihr Sohn Maximilian sich für eine Lehre entschieden hat.

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    MUTTER IM TALK

    „LOSLASSEN MUSSTE ICH ERST LERNEN“

    Andrea Hickel ist promovierte Chemikerin und Leiterin der Chemie Akademie in Graz. Warum sie trotzdem glücklich ist, dass ihr 16-jähriger Sohn sich gegen ein Studium entschieden hat, erzählt sie im Interview.

    Als Akademiker-Kind scheint der Ausbildungsweg oftmals vorgezeichnet: Matura und Studium, so gehört sich das. Doch nicht in jedem Fall ist das der beste Weg. „Es gibt einfach Kinder, die nicht ins System passen“, meint Andrea Hickel. Die promovierte Chemikerin hat beides zu Hause: Tochter Fiona hat maturiert, arbeitet derzeit in der Gastrobranche und will im kommenden Jahr nach Wien gehen, um Veterinärmedizin zu studieren.

    Ihr 16-jähriger Bruder David dagegen hatte eine eher holprige Schullaufbahn. „Das war weniger seine Schuld“, meint Hickel. Die Scheidung der Eltern, zwei Schulwechsel und gesundheitliche Probleme – es kam einfach zu viel zusammen. „Und er hinterfragt auch viel – das ist nicht bei allen Lehrern gut angekommen“, schmunzelt Hickel.

    Ein neuer Weg in der IT
    Die Entscheidung, die Schule zu verlassen und sich lieber auf eine praxisnahe Ausbildung zu fokussieren, lag bald auf der Hand. Schon vor Jahren hat sich David selbst das Programmieren beigebracht, derzeit lernt er gerade Japanisch. Nun sucht er eine Lehrstelle im IT-Bereich, am besten bei einer großen Firma, wo er im Rahmen der IT Lehre auch Auslandserfahrungen sammeln darf. „Natürlich habe ich darüber nachgedacht, ob er vielleicht doch lieber eine HTL machen sollte. Ich muss zugeben, ich war oft eine Gluckenmutter, das Loslassen musste ich erst lernen. Und natürlich gab es auch genügend Streitereien, immerhin ist David ja auch mitten in der Pubertät. Aber ich habe begriffen, dass es wichtiger ist, dass er ein Ziel hat und für sich einen Weg findet, der ihn erfüllt und glücklich macht“, erzählt die Leiterin der Chemie Akademie.

    Den eigenen Weg finden
    „Es ist nicht mein Weg, es ist seiner – das übersieht man als Mutter oder Vater oft, einfach, weil man das Beste für sein Kind will.“ Wobei es natürlich hilft, wenn man – so wie Hickel – selbst seinen Weg gefunden hat. „Ich habe alles erreicht, was ich wollte – ich muss mich nicht mehr über meine Kinder verwirklichen.“

    Welchen Rat würde sie anderen Müttern in dieser Entscheidungsphase geben? „Ich denke, das Wichtigste ist, dass man immer versucht, die Beziehung zum Kind aufrechtzuhalten. Schule und Bildung sind wichtig, aber der gemeinsame Spaß und das Verständnis füreinander darf nie zu kurz kommen – so behält man immer den Draht zum Kind.“

    Den Potenzialen folgen
    „Ich habe ein wirklich gutes Gefühl, David wird seinen Weg machen. Mir ist wichtig, dass meine Kinder ihre Potenziale ausschöpfen und ihrem Leben einen Sinn geben – das heißt eben für jeden Menschen etwas Anderes. Mehr als das kann ich mir für sie nicht wünschen.“